Abschied nur von der großen Bühne
Einer der Eifrigsten, der Zuverlässigsten und Charakterstärksten unter den L.E.-Volleyballern muss künftig kleinere Brötchen backen. Sein Körper hat ihm deutlich signalisiert, dass ab sofort längere Regenerationsphasen nötig sein werden, wenn er auch künftig den Spagat zwischen Beruf, Sport und Familie schaffen will.
Der Abschied aus dem Bundesligateam fällt Philipp Görner schwer, das merkt man ihm an. Noch immer voller Leidenschaft – so, wie man ihn aus Training und Wettkampf kennt – erzählt er über die ereignisreichen acht Jahre, in denen er bislang für den Verein seine Volleyballschuhe geschnürt hat. Als Chemnitzer, wo er nach seiner Zeit als Fußballer ab 2006 das Volleyball-ABC erlernt hatte, kreuzte er in den Folgejahren so manche Klinge mit den Leipzigern. Als er 2012 arbeitsbedingt in die Messestadt zog, war klar, dass er als erstes bei den L.E. Volleys anfragen würde. Spielertypen wie Marvin Freese oder Rudi Klug, in Chemnitzer Zeiten so etwas wie sportliche Vorbilder, wurden nun in der 2. Mannschaft seine Mitspieler.
Seinen späteren Bundesligatrainer Christoph „Raschi“ Rascher lernte er Anfang 2015 kennen, als dieser die abstiegsbedrohte Regionalligamannschaft übernahm und zum Klassenerhalt führte. Damit begann eine besondere Spieler-Trainer-Beziehung, die bis zuletzt von gegenseitigem Vertrauen („Ich fresse Raschi aus der Hand“), einer großen Ehrlichkeit und hoher Wertschätzung füreinander geprägt war. Als der Trainer später erneut als Feuerwehrmann - dann allerdings in der ersten Mannschaft - gefragt war, warf er seinen Mittelblocker im entscheidenden Spiel um den Klassenerhalt ins kalte Bundesliga-Wasser und wusste oder hoffte zumindest, dass er sich auch in diesem Haifischbecken erfolgreich in Szene setzen würde. Das Ergebnis ist allseits bekannt.
Dieser 22. April 2017 steht heute fett gedruckt und dick unterstrichen im Buch der mittlerweile 11-jährigen Vereinsgeschichte. Leipzig brauchte einen 3-Punkte-Sieg gegen Freiburg, während Mitkonkurrent Dresden in Fellbach klar verlieren musste. Philipps Eltern waren an diesem Tag erstmals mit in der Halle, saßen neben ihrer hochschwangeren Schwiegertochter. Diese wiederum zeigte ihrem auf dem Spielfeld rackernden Gatten immer wieder die Spielstände aus Fellbach an. Nach fast 2 Stunden Kampf war Freiburg besiegt und Leipzig gerettet. Der sehr persönliche, hochemotionale Dank des Trainers nach dem Spiel blieb Philipp bis heute in Erinnerung, und das, obwohl er nur Stunden später – noch in der Nacht zum Sonntag – mit seinen eigenen Gefühlen kaum wusste wohin, hatte doch die kleine Familie mit Söhnchen Bruno Zuwachs erhalten.
Philipp blieb von nun an eine Konstante im Spiel der Bundesligatruppe und einer, der sich immer erst dann zufrieden zeigte, wenn alle alles gegeben hatten. Das hat ihn motiviert, im Training und in den Wettkämpfen. Von denen sieht er im Rückblick das Relegations-Heimspiel vor 900 Zuschauern gegen Waldgirmes und das heimische Derby im Drittligajahr gegen Delitzsch vor 800 Fans als sportliche und emotionale Höhepunkte. „Das Leipziger Publikum“, sagt er, „das war immer ein ganz besonderes.“ Und er weiß schon jetzt, dass er vermissen wird, dessen Zuneigung auf dem Spielfeld zu spüren. Künftig wird er gemeinsam mit Söhnchen Bruno Teil dieser phantastischen Fangemeinde sein.
Philipp würde gern im Verein eine neue Mannschaft finden, die auf seinen Erfahrungsschatz setzen möchte und der er auch mit weniger Training und damit längeren Erholungsphasen noch helfen kann. Damit ist das vereinsinterne Rennen um den verdienten Leistungsträger eröffnet, der noch immer frei nach Jürgen Klopp „die Lust aufs Gewinnen“ in sich spürt und dafür bereit ist, das eine oder andere Mal mehr zu geben, als eigentlich möglich scheint. Ein wahrer Sportsmann, eine Ausnahmeerscheinung. Danke für alles, Philipp! (JZ)