Einmal Saarland und zurück
Sonntagmorgen, sieben Uhr. Ganz Leipzig schläft. Ganz Leipzig? Nein! Zwei von unbeugsamen Volleyballern besiedelte Kleintransporter machen sich auf den Weg in fremde Gefilde fernab der Heimat. Namentlich: Bliesen.
Während die Spieler den Pyjama am liebsten gleich angelassen hätten, müssen Trainer und Physiotherapeutin hellwach sein, um als Fahrzeugführer die sichere Überfahrt ins Saarland zu gewährleisten.
Sechs Stunden später ist dieser Teil der Expedition geglückt, die Busse rollen auf den Parkplatz des Sportzentrums in St. Wendel. Der Fußballplatz nebenan wird bereits bespielt, in der Halle ist aber noch tote Hose. Spielbeginn wird erst in drei Stunden sein. Zeit genug, sich noch einmal kollektiv die Beine zu vertreten und die immer noch müden Körper ein wenig in Fahrt zu bringen. Viel ist nicht los im „kleinen Dorf oben rechts im Saarland“. Noch nicht. Aber das soll sich ändern!
Denn das Sportzentrum ist seit Tagen ausverkauft, 170 Zuschauer füllen die Halle. Im Normalfall kommen wohl dreimal so viele, auch wenn wir nicht ganz sicher sind, wo die auf der überschaubaren Tribüne Platz finden sollen. Im Saarland haben sie Bock auf Volleyball.
Und das merkt man: Der Aufsteiger legt gut los, die ersten Ballwechsel sind ausgeglichen. Beim Stand von 4:3 können wir das erste Break holen, das aber direkt gekontert wird, als Chris gleich doppelt am Block hängenbleibt. Nach seiner MVP-Performance zwei Wochen zuvor wurde unser Diagonalangreifer im Videostudium wohl besonders beäugt. Mit Fans und Führung im Rücken wächst das Bliesener Selbstbewusstsein, zwingt Trainer Rascher beim 9:12 zur Auszeit. Die wirkt, ein paar Ballwechsel später klinkt Henrik den Ball zum 14:14 ins gegnerische Feld ein. Ein Satz auf Augenhöhe entwickelt sich, bis in die Crunchtime ist alles offen. Dann aber können wir in Block und Feldabwehr glänzen und die wichtigen Bälle für uns entscheiden. 25:22, Satz eins im Gepäck.
Weiter geht es mit Durchgang zwei, und auch hier zeichnet sich anfangs ein spannender Satz ab. Doch nach und nach können wir uns absetzen, unser Sideout ist stabil und auch bei eigenem Aufschlag holen wir uns einen Punkt nach dem anderen. Besonders Mittelblocker Henrik brennt von der Grundlinie ein Feuerwerk ab, bringt die Kugel allein sieben Mal ins Spiel. 7:6, 18:12 und 25:17 - auch Satz zwei wird in den Bus geladen. Das Bemerkenswerte: Den Hausherren gelingen gerade einmal zwei Breaks! Daran haben auch die Zuschauer ein wenig zu knabbern.
Weiter geht’s mit Satz Nummer drei. Gleich zu Beginn schiebt Lorenz den Ball perfekt nach vorne, Martin serviert für Jerome - 1:0. Der Beginn ist identisch zum Anfang der Partie und auch der weitere Verlauf des Satzes ist ähnlich: Bis zum 16:15 sind beide Teams gleichauf, es gibt wenige Breaks, die Zuschauer sind wieder voll da. Doch die technische Auszeit gibt uns noch einmal Aufschwung, zwei krachende Blocks bringen uns 19:16 in Front. Als die Führung mit einem Ass auf 4 Punkte wächst, haben wir schon den nächsten Sieg vor dem geistigen Auge.
Doch dann beweist Bliesen-Trainer Burkhard Disch ein goldenes Händchen, wechselt Youngster Aaron Neumann im Aufschlag ein. Der fasst sich ein Herz und kachelt ein ums andere Mal an den Ball. Erst beim 20:22 gelingt es uns, bei eigener Annahme wieder einen Punkt zu machen - aber zu spät. Die Halle kocht, die Zuschauer peitschen die Heim-Mannschaft nach vorne. Den Satz lassen sich die Saarländer nicht mehr nehmen, der Endstand von 22:25 bedeutet nur noch 2:1 aus Volleys-Perspektive und den vierten Satz.
Den starten wir mit einem Break, dann bringt wieder Aaron Neumann den ersten Punkt für die Gastgeber, gefolgt von einem Service-Winner. Geht das jetzt nahtlos weiter wie zuvor? Zum Glück nicht! Wir können den nächsten Ballwechsel für uns entscheiden und finden unsere stabile Annahme wieder. In der Folge lassen wir wenig zu, können uns bis zum 12:9 absetzen. Drei Punkte Vorsprung. Die wollen wir uns nicht mehr nehmen lassen! In die technische Auszeit geht es mit 16:13, ein Aufschlag ins Netz bedeutet 21:17. Wieder Crunchtime, wieder Aaron Neumann am Aufschlag für die Hausherren. Doch diesmal kommen wir gut durch, das zweite Comeback des Tages bleibt aus. Wenig später schlägt Lorenz den Block zum 24:21 an. Drei Matchbälle, das muss doch reichen. Den ersten kann Bliesen abwehren, aus der eigenen Blocksicherung verwandeln sie den Schnellangriff zum zweiundzwanzigsten Punkt. Jetzt sind wir dran. Die Annahme steht gut, der Pass auf Außen auch - der Blockabpraller wird abgewehrt! Bliesen kann in Ruhe aufbauen. Aber die Täuschung in unser Feld funktioniert nicht - die Abwehr landet wieder bei Martin, der Pass erneut bei Lorenz. Zweimal lässt der sich die Chance nicht entgehen. Ein langer Schlag, weit und breit kein Abwehrspieler in Sicht. Punkt. Ende. Over and out, zweiter Sieg im zweiten Spiel. Die Wechselbank kommt aufs Feld, im Kreis springend brüllen wir die „Auswärtssieg!!“- Rufe durch die Halle. Der Saisonstart ist perfekt.
MVP’s des Spiels werden verdientermaßen Aaron Neumann und Jerome Ptock.
Und jetzt geht’s wieder heim. Immerhin haben wir noch knappe 600 km vor uns; vor Montag früh um zwei wird das nichts mehr mit dem heimischen Bett… Egal, hat sich gelohnt, wir sind heiß auf mehr. Nächste Woche dann in Kriftel. Bleibt dran!
Julius Karoos (Libero)